Exposer dans l’entre-deux-guerres: enjeux politiques, économiques et artistiques

Exposer dans l’entre-deux-guerres: enjeux politiques, économiques et artistiques

Organizer(s)
Centre d'histoire culturelle des sociétés contemporaines (CHCSC); Centre interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne (CIERA); Alexandre Kostka (Universität Strasbourg); Caroline Moine (Universität Versailles); Martin Schieder (Universität Leipzig)
Location
Paris
Country
France
From - Until
19.11.2010 - 20.11.2010
Conf. Website
By
Marlen Schneider, Deutsches Forum für Kunstgeschichte

In einem 1934 erschienenen Zeitungsartikel fragte der französische Literat Jean Giraudoux: “Qu’est-ce qu’une Exposition officielle?” Die Antwort folgte unmittelbar darauf: “C’est une nation qui s’expose. C’est l’exaltation soudaine d’un pays qui veut donner au monde un exemple de sa civilisation, de son imagination et de sa force productrice.”1 Giraudoux äußerte sich hier zu den zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen unterschiedlichster Prägung und Thematik, welche die Kulturpolitik der europäischen Nationen während der Zwischenkriegszeit stark geprägt haben: Sie wurden nicht selten als wirksames Mittel politischer Propaganda eingesetzt. Doch es handelte sich dabei keineswegs um eine neue Strategie. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert sind Ausstellungen ein zentrales Medium staatlicher, künstlerischer sowie bürgerlicher Selbstinszenierung. Mit prächtigen Architekturen und zielgerichteten Werbestrategien präsentierten sich die nationalen Großveranstaltungen, kleinere Ausstellungen spiegelten das Engagement Einzelner wider. Allerdings gilt es, die Weltausstellungen, Salons, Biennalen und Festivals mit ihren unterschiedlichen Displays und gestalterischen Eigenheiten nicht nur als singuläre Phänomene zu untersuchen, sondern sie vielmehr in ihrem historischen und gesellschaftlichen Kontext zu verorten, dessen umfassende Rekonstruktion meist nach einem vergleichenden und transnationalen Blick verlangt.

Dieser Aufgabe haben sich die Organisatoren eines deutsch-französischen Forschungsprojekts gestellt, das Intention, Konzeption und Umfeld bedeutender künstlerischer Ausstellungen in Frankreich und Deutschland zum Gegenstand seiner Untersuchung hat. Alexandre Kostka (Université de Strasbourg), Caroline Moine (Université de Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines) und Martin Schieder (Universität Leipzig) verweisen bereits mit dem Titel ihres Projekts “Montrer, exposer, représenter en Allemagne et en France (XIXe/XXe siècles)” auf die unterschiedlichen Blickwinkel, unter welchen man Ausrichtung und Gestaltung dieser Ereignisse zu betrachten hat. Zum einen waren sie didaktisch und erklärend angelegt, indem sie technische und wirtschaftliche Errungenschaften, neueste künstlerische Tendenzen sowie aktuelle Moden vor Augen führten, und sie boten ihrem Publikum gleichzeitig Unterhaltung und Spektakel. Zum anderen dienten Ausstellungen auch immer der Repräsentation ihrer Veranstalter, seien es nur Privatpersonen oder ganze Nationen, die sich zur Schau stellten.

Um der Vielseitigkeit und den sich wandelnden Bedeutungen des Ausstellungswesens gerecht werden zu können, wurde das vom interdisziplinären Zentrum für Deutschlandstudien und -forschung (CIERA) und den Universitäten Leipzig, Strasbourg und Versailles geförderte Projekt auf drei Tagungen angelegt. Die erste Konferenz fand im Juni 2009 im Institut National d’Histoire de l’Art und im Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris statt und widmete sich zunächst der “Internationalisation des arts et mise en scène de la nation”. Während der Schwerpunkt hier zunächst bei den Wurzeln der großen Weltausstellungen und internationalen Kunstschauen im 19. Jahrhundert lag, kündigten sich in den untersuchten Beispielen auch Tendenzen an, welche die Ausstellungspraxis des darauffolgenden Jahrhunderts stark prägen sollten. Dieser erste Ausblick ins 20. Jahrhundert, den die Konferenz 2009 bereits leisten konnte, sollte nun während der zweiten Tagung, die am 19. und am 20. November 2010 abgehalten wurde, vertieft werden. “Exposer dans l’entre-deux-guerres: enjeux politiques, économiques et artistiques” lautete das Thema der Veranstaltung, die in der Cinémathèque française und in der Maison de la recherche in Paris stattfand. Eine Fokussierung auf die Ausstellungen der Zwischenkriegszeit in beiden Ländern erscheint angesichts dieser politisch, wirtschaftlich und kulturell spannungsreichen Phase und der Diversität der in diesem Zeitraum organisierten Schauen besonders sinnvoll.

Den Auftakt von insgesamt vier, inhaltlich bewusst sehr unterschiedlich gefassten Sektionen bildeten Beiträge zu den “Relations internationales et muséographie”. Einen thematisch gut platzierten Einstieg stellte der Vortrag von FRANÇOIS PONCELET (Namur) dar, der einen breiten Überblick über museale Ausstellungsstrategien der ersten Jahrhunderthälfte gab. Seine zahlreichen Beispiele, die vom Musée du Louvre über das Folkwang Museum bis hin zum Museum of Modern Art in New York reichten, systematisierte er mit Hilfe der typologischen Einteilung in funktionalistische und kontextuelle Konzepte, die er auf ihre jeweiligen ästhetischen Prinzipien und Intentionen befragte. In der darauffolgenden Diskussion wurde jedoch die Notwendigkeit eines interdisziplinären Umgangs mit dem Thema deutlich, da der museographische Ansatz Poncelets durch eine historische Einbettung seiner Beispiele und eine nationale Kontextualisierung sicher hätte präzisiert werden können.

Diese Verknüpfung gelang MARIE GISPERT (Paris) und MARTIN SCHIEDER (Leipzig) mit ihrer Präsentation zweier verschiedener Kunstausstellungen, die 1931 und 1942 in Paris zu sehen waren. Während Gispert eine kleine, von den Zeitgenossen kaum wahrgenommene Schau deutscher Künstler in der Galerie Bonjean vorstellte, beschäftigte sich Schieder mit der Retrospektive Arno Brekers, die zur Zeit der deutschen Besatzung in der Pariser Orangerie gezeigt wurde. In der Gegenüberstellung dieser beiden höchst unterschiedlichen Ereignisse wurden die Vielschichtigkeit der deutsch-französischen Kunstbeziehungen und der daraus hervorgegangenen Ausstellungsprojekte, die Bandbreite ihrer Intentionen sowie die Bedeutung der diversen Akteure ersichtlich. So handelte es sich bei der ersten Schau um die Initiative eines Einzelnen, des deutschen Künstlers Paul Strecker, der in einer Galerie eine Gruppenausstellung in Paris lebender deutscher Maler und Bildhauer – darunter Max Ernst, Paul Klee und Arno Breker – organisierte, die jedoch kaum Beachtung fand. War Arno Breker 1931 noch einer unter mehreren, die sich in der französischen Kunstszene zu integrieren versuchten, so wurden etwa zehn Jahre später in der Orangerie neben seinem Frühwerk, das stark von der Kunst des Nachbarlandes beeinflusst war, vor allem die kolossalen Skulpturen in Szene gesetzt, die er im Auftrag von Speer für Berlin und Nürnberg geschaffen hatte. Von vielen französischen Künstlerkollegen wurde der Staatsbildhauer nach wie vor als “unser Breker” wahrgenommen, doch dessen Inszenierung 1942 war weniger eine Bemühung um kulturellen Austausch zwischen beiden Ländern, sondern vielmehr eine propagandistische Demonstration der künstlerischen Überlegenheit Nazi-Deutschlands.

Aber die 1930er-Jahre waren nicht nur von politischen Spannungen zwischen den Nationen geprägt, sondern gleichsam von einem ungebrochenen Technik- und Fortschrittsglauben, der seinen Ausdruck in den diversen Ausstellungen und in der Werbung fand. Die Sektion “Art et modernités” widmete sich daher den modernistischen Inszenierungs- und Werbestrategien dieser Zeit, vor allem in Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie der Pariser Weltausstellung von 1937. Zunächst schilderte VERONIQUE POUILLARD (Brüssel) die Professionalisierungsprozesse der Werbebranche im Hinblick auf die Produktion und Gestaltung von Werbeplakaten, während sich im Anschluss ELISABETH FURTWÄNGLER (Leipzig) mit der Sonderform des künstlerischen Ausstellungsplakats beschäftigte. Dieses wurde in der Zwischenkriegszeit – parallel zur Aufwertung der Wandmalerei – von vielen Künstlern als öffentlich wirksames Medium (wieder)entdeckt, das aufgrund seiner uneingeschränkten Zugänglichkeit bestens geeignet war, “l’art pour le peuple” zu schaffen. Während ihr Ausgangspunkt die Entwicklung der Plakatkunst im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war, schilderte sie darauf aufbauend die Besonderheiten der Renaissance des Plakats während der 1930er-Jahre und betonte konsequent die Bedeutung, welche Professionalisierung und Technisierung für den Umgang mit dem Künstlerplakat auch nach dem Krieg haben sollte.

Aus unterschiedlichen Perspektiven wurde in der dritten Sektion “La mise en scène des empires coloniaux” betrachtet. Eine Neubewertung des staatlichen Umgangs mit den französischen Kolonien versuchte der Historiker JAKOB VOGEL (Köln) im Hinblick auf die Pariser Kolonialausstellung von 1931. Statt der bisherigen Rezeption zu folgen, die das Ereignis vornehmlich als Höhepunkt der Exotismus-Faszination und der spektakulären Zurschaustellung der Kolonien wahrgenommen hat, rekonstruierte Vogel die pädagogischen Intentionen der Organisatoren, sowie deren Bemühungen um eine “mise en valeur” der “force coloniale”, die ökonomisches und industrielles Potential für das Mutterland versprach. Er betonte dabei die Neuartigkeit dieses Umgangs mit den Kolonien, die eine Eigenheit der Zwischenkriegsjahre sei. SOPHIE LECLERCQ (Centre National de Documentation Pédagogique, CNDP) stellte ebenfalls einen zeitgenössischen Standpunkt von 1931 vor. Die “contestation surréaliste” in Bezug auf die Kolonialausstellung bedeutete eine Fundamentalkritik der surrealistischen Künstler – vornehmlich der linksorientierten Literaten unter ihnen – an der Kolonialpolitik Frankreichs. In Zusammenarbeit mit der kommunistischen Partei wurde die Gegenausstellung “La vérité sur les colonies” organisiert, die den Umgang mit den Kolonien in Übersee und die dort herrschende Gewalt anprangerte. Auch wenn das ambivalente Verhältnis der Surrealisten zu Primitivismus und Exotismus zwischen kritisch-politischem und künstlerisch-ästhetisierendem Standpunkt noch eingehender hätte analysiert werden können, wurde anhand dieses Beispiels die politische Bedeutung und Vielseitigkeit des Mediums Ausstellung deutlich. Komplementiert wurde der Blick auf die Kolonialausstellung mit einer Präsentation der Schau “1931, les étrangers au temps de l’Exposition coloniale”, deren Organisation und Konzeption von der Soziologin LAURE BLEVIS (Paris) geschildert wurde. Der 2008 im Pariser Musée de l’intégration gezeigte Rückblick auf die 1930er-Jahre diente als Beispiel für aktuelle Problematiken hinsichtlich der Rekonstruktion und der musealen Vermittlung von historischen Ausstellungen.

Nachdem neben “Modernität und Fortschritt” der Stellenwert des Kolonialismus betrachtet wurde, nahm die letzte Sektion ein weiteres zentrales Phänomen der Zwischenkriegszeit in den Blick: “Quand le cinéma s’expose”. Das Kino spiegelte wie kaum ein anderes Ausdrucksmittel den neuen Stellenwert des Bildes im Zeitalter der Massenmedialisierung wider. Dieser besondere Status machte sich nicht zuletzt in den Ausstellungen dieser Jahre bemerkbar, deren Umgang mit dem Medium von Caroline Moine analysiert wurde. Ein Schlüsselereignis war auch für ihre Untersuchung die Weltausstellung von 1937, auf der sogar ein eigener Pavillon, “Photo-Ciné-Phono”, für das Kino warb. Als “langage universel” sollte das Kino zwischen den Nationen vermitteln und sowohl pädagogische Zwecke erfüllen – “cinéma éducateur” – als auch Unterhaltung und Zerstreuung bieten. Doch das Kino wurde gleichsam als Plattform des nationalen Wettbewerbs und der Propaganda genutzt, was sich insbesondere bei der Weltausstellung durch eine starke Präsenz des deutschen Films bemerkbar machte.

Nachdem CELINE GUENOT (Paris) die Genese und die Zusammenarbeit der Pariser Cinémathèque française und der New Yorker Film Library im Museum of Modern Art, beides wichtige Institutionen hinsichtlich des Sammelns, der Erforschung und der Bewahrung von Dokumenten zur Filmgeschichte, vorgestellt hatte, wandte sich LAETITIA PELE (Paris) dem Kino der 1930er-Jahre zu. Ihre Präsentation der ersten internationalen Filmausstellung “Mostra”, die 1932 in Venedig stattfand, beleuchtete eine weitere Dimension des neuen Mediums: Fernab von politischer Propaganda und der Begeisterung für den technischen Aspekt, wurde der Film auch mehr und mehr als künstlerisches Ausdrucksmittel gewürdigt. Jenes erste Filmfestival, das von Pelé vorgestellt wurde, veranschaulicht diese Statusverschiebung, aber auch die grundlegende Problematik, Film auszustellen und in einem künstlerischen Kontext zu präsentieren. Gleichzeitig bietet die “Mostra” einen Ausblick auf die zahlreichen Biennalen und Filmfestivals, die sich nach 1945 als neue Ausstellungsformen etablieren sollten.

Mit der Analyse des Kinos der 30er-Jahre, die in der letzten Sektion erarbeitet wurde, konnte die Diskussion zu den Eigenheiten der Ausstellungen und damit einhergehend der visuellen (Re)Präsentation von Kultur und Gesellschaft der Zwischenkriegszeit vervollständigt werden. Kennzeichnend für Display und inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltungen war das enge Wechselspiel von Kunst und Technik, Werbung und Propaganda, Nationalismus und Internationalität, traditionellen Mustern und Modernisierung. Dank der interdisziplinären Zusammensetzung der Referenten, die aus dem kunsthistorischen, historischen, museologischen und praktischen Bereich kamen, konnte die Vielschichtigkeit des Ausstellungswesens dieser Jahre umfassend diskutiert werden, ebenso wie methodische Fragen, die auch die Archivierung und den aktuellen Umgang mit den Quellen betreffen. Wie schon während der Veranstaltung 2009 gelang es auch bei der diesjährigen Tagung, den gewählten Schwerpunkt in einem größeren Kontext zu verorten und trotz des Fokus auf die Zwischenkriegszeit einen Ausblick auf die späteren Entwicklungen zu geben. Diese Ansätze aufzugreifen und zu vertiefen, wird Aufgabe der dritten und letzten Konferenz sein, die sich den Ausstellungen nach 1945 widmen und 2011 in Leipzig stattfinden wird.

Konferenzübersicht:

Caroline Moine (Université de Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines): Begrüßung und Einführung

Sektion 1: Relations internationales et muséographie

Alexandre Kostka (Université de Strasbourg): Einführung und Leitung der Sektion

François Poncelet (Facultés Universitaires Notre-Dame de la Paix, Namur): Les stratégies d’exposition dans l’entre-deux-guerres

Anne-Doris Meyer (Université de Strasbourg): Le musée de l’Œuvre Notre-Dame à Strasbourg: le rôle de Hans Haug

Marie Gispert (Université de Paris I): L’exposition de peintres allemands Galerie Bonjean à Paris en 1931

Martin Schieder (Universität Leipzig): Bilder einer Ausstellung. Arno Breker in Paris

Sektion 2: Art et modernités

Caroline Moine: Einführung und Leitung der Sektion

Véronique Pouillard (Université Libre de Bruxelles): Publicité et expositions universelles dans l’Europe de l’entre-deux-guerres

Elisabeth Furtwängler (Universität Leipzig): La renaissance de l’affiche artistique d’exposition à Paris dans l’entre-deux-guerres

Marlen Schneider (Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris): Une féerie d’électricité avant-guerre. Les stratégies esthétiques à l’Exposition Internationale de 1937

Wouter van der Veen (Université de Strasbourg): L’exposition Van Gogh au Palais de Tokyo de 1937

Sektion 3: La mise en scène des empires coloniaux

Martin Schieder: Einführung und Leitung der Sektion

Jakob Vogel (Universität Köln): La fin de l’exotisme? Colonies et modernité techno-scientifique dans les expositions de l’entre-deux-guerres

Sophie Leclercq (Centre National de Documentation Pédagogique): La contestation surréaliste de l’Exposition coloniale de Vincennes (1931)

Laure Blévis (Université Paris-Ouest Nanterre): Comment “mettre l’histoire en musée”. Retour sur l’exposition “1931, les étrangers au temps de l’Exposition coloniale”

Sektion 4: Quand le cinéma s’expose

Matthias Steinle (Université Paris III): Einführung und Leitung der Sektion

Caroline Moine: Cinéma et expositions universelles: le tournant de l’entre-deux-guerres

Céline Guénot (Université Paris VII): Le cinéma au musée: histoire croisée de la naissance de la cinémathèque française et de la Film Library du MoMA

Laetitia Pelé (Université Paris I): La naissance de la Mostra de Venise (1932)

Alexandre Kostka, Caroline Moine, Martin Schieder: Zusammenfassung und Ausblick

Anmerkung:
1 Jean Giraudoux, Les confusions de l’Epoque. Fêtes et Expositions, in: Le Figaro, 16.7.1934, S.1.


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